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Griechenlands doppelte Krise?
Zuerst die Finanzkrise, dann Schuldenkrise, jetzt die Flüchtlingskrise: Griechenland steckt seit Jahren in mehrerlei Krisen. Niemand weiß, wie dieses Land jemals aus dieser Situation herauskommen kann, sagte Lisa Mittendrein beim vierten Teil der diesjährigen Green Lectures. Die vielen solidarischen Projekte und Bewegungen machen aber ein wenig Hoffnung aus der Vielfachkrise herauszukommen.
Von Marco Vanek
Stellvertretend für die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Projekte stellte Lisa Mittendrein ein Flüchtlingsprojekt im Zentrum Athens vor. „Das beste Hotel Europa“, so nennt sich eine Initiative aus dem Umfeld der AnarchistInnen in Athen, die im April 2016 ein leerstehendes Hotel besetzt und daraus eine Flüchtlingsunterkunft gemacht hat. Im Spätsommer 2016 lebten dort in 120 Zimmern etwas mehr 400 Menschen, darunter fast die Hälfte Kinder.
Die neuen Gäste kommen von überall her, aus Syrien, dem Irak, Pakistan, Iran oder Afghanistan. Die Menschen im Hotel kamen mit nichts und bezahlen nichts, erzählt Lisa Mittendrein, die zuletzt im Juni Athen besucht hat. Sie alle sind geflüchtet und viele gehören zu jenen 50.000 Verzweifelten, die derzeit in Griechenland im Nirgendwo und in Elendslagern ausharren, weil das Europa der Zäune sie ausgesperrt hat.
Im City Plaza finden die Geflüchteten einen Ort, der ihnen Privatsphäre ermöglicht – in einer Atmosphäre der Sicherheit und Würde. Gemeinsam managen jetzt die vielen solidarischen GriechInnen mit den Geflüchteten den Alltag im Hotel. Staatliche Unterstützung gibt es keine. Aber dafür gibt es gutes Essen, saubere Flure, eine Apotheke, einen Friseur, sowie Sprachkurse, eine Bibliothek und Rechtsberatung. Alles wird aus freiwilliger Arbeit getan und mit Spenden finanziert.
„Wir leben zusammen – Solidarity will win“ lautet das Motto im City Plaza. Das Hotel beweist jeden Tag aufs Neue, dass selbst inmitten von Krise und Armut ein solidarisches und herzliches Willkommen, ein menschenwürdiges Leben für alle möglich ist. Das Hotel City Plaza sieht sich als einen Ort der Gleichberechtigung und Solidarität, das gelebte Gegenteil zur Festung Europa und ihrer Grenzen der Schande. Es ist ein Symbol der Hoffnung.
Wohin flossen die Hilfskredite für Griechenland?
Bereits Jahr 2013 wies Lisa Mittendrein gemeinsam mit KollegInnen von ATTAC nach, dass die vielen Milliarden an Hilfskrediten nicht in Griechenland selbst ankamen, sondern im weitverzweigten Netzwerk der Finanzindustrie hängenblieben.
„Das Ziel der politischen Eliten in Europa war nicht die Rettung der griechischen Bevölkerung, sondern die des Finanzsektors“, sagte Lisa Mittendrein. Von den 207 Milliarden Euro an Krediten, die bis 2013 nach Athen überwiesen wurden, flossen fast 160 Milliarden Euro an Geldhäuser und Kapitalanleger, 58 Milliarden Euro verwendeten die griechischen Banken um ihre Eigenkapitaldecke zu erhöhen, 55 Milliarden seien für die Rückzahlung auslaufender Staatsanleihen und elf Milliarden für den Rückkauf alter Schulden ausgeben worden.
Mit weiteren 35 Milliarden Euro habe man internationalen Banken, Versicherungen und Investmentfonds die Teilnahme am Schuldenschnitt des Jahres 2012 schmackhaft gemacht. Selbst von den knapp 47 Milliarden Euro, die tatsächlich im griechischen Staatshaushalt angekommen seien, habe Griechenland 35 Milliarden umgehend als Zinszahlungen an die Besitzer von Staatsanleihen weiterleiten müssen.
„Die weit verbreitete und von europäischen PolitikerInnen öffentlich vertretene Position, dass das Geld der sogenannten ’Rettungspakete’ den Menschen in Griechenland zugutekommen würde, ist damit widerlegt“. Vielmehr zahlten die einfachen Bürgerinnen und Bürger die Zeche in Form von höheren Steuern und Kürzungen der Pensionen, in der Krankenversicherung und bei vielen anderen Sozialleistungen.
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