Der ehemalige IHS-Chef Christian Keuschnigg spricht sich angesichts der 'Rekordarbeitslosigkeit' in Österreich für die Schaffung eines Niedriglohnsektors inklusive sozialer Absicherung aus. Als Vorbild sollen die "Hartz IV"-Arbeitsmarktreformen in Deutschland dienen. "Jede Beschäftigung entlastet den Sozialstaat", sagte Keuschnigg Ende März bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer in Wien.
Interessant ist, dass Keuschnigg nie ein Wort darüber verliert, dass der Sozialstaat über die Einkommen der arbeitenden Menschen finanziert ist. Je mehr Menschen in Arbeit sind, je besser sie verdienen, desto besser ist auch der Sozialstaat finanziert. Dann sprudeln die Beiträge, und die Menschen können mehr Geld ausgeben.
Hartz IV-Empfänger/innen kaufen in Sozialmärkten ein, sie können ihre Mieten meistens nur mit staatlicher Unterstützung bezahlen und schaffen es meistens nicht, sich eine tragfähige Alterssicherung zu erarbeiten. Die Gefahr der "Verfestigung" in Unterstützungssystemen ist groß. Der Sozialstaat hat auch die Aufgabe, die berufliche Degradierung, die häufig aus Verfestigung in Unterstützungssystemen folgt, zu verhindern, z.B. durch Fortbildung, durch einen funktionierenden zweiten Arbeitsmarkt und vieles mehr.
Der eindimensionale Blick Keuschniggs richtet sich allein auf die Wettbewerbsfähigkeit der (exportierenden) Unternehmen und auf die Staatsausgaben. Doch in entwickelten Ländern mit hohem Bildungsniveau durch niedrige Löhne die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, geht auf Kosten von Innovation und Produktivitätssteigerung. Abgesehen davon kann ein Land wie Österreich ohnehin nicht mit Niedriglohnländern außerhalb Europas wetteifern.
Wohin das eine Volkswirtschaft führt, zeigt das Beispiel Japan: Lohnzurückhaltung zugunsten von Unternehmensgewinnen führen letztlich zu Deflation, die niemand haben will, schon gar nicht auf lange Dauer. Das hat mittlerweile sogar der Internationale Währungsfonds erkannt. 40% der Beschäftigten verdienten zu wenig, meint er. Ähnliches gilt in Österreich.